Abbilder der Wirklichkeit
Wie wir mit Bildern das Unsichtbare strukturieren
Wir sind immer wieder konfrontiert damit: mit Erklärungen „der Wirklichkeit“. Dies betrifft einfache (physikalische) Ereignisse, wie das Herabfallen eines Glases vom Tisch (Erklärung: Gravitation), chemische Vorgänge wie das Verbrennen eines Blatt Papiers (Erklärung: Oxidation) oder kompliziertere medizinische, soziale oder politische Zusammenhänge.
Die Begründungen dafür, warum etwas passiert, die Erklärungen, der „Auslöser“, haben sich im Laufe der Menschheitsgeschichte aber immer wieder geändert. Diese Wahrheiten erklären uns die Welt, die uns umgibt. Sie geben uns die/eine Erklärung dafür, warum offenbar etwas geschieht.
Dies führt uns erstmals zu dem, was wir einen „Gottbegriff“ nennen (können). Denn es ist noch gar nicht so lange her, da war den Menschen klar, dass etwas nur dann sich ereignen konnte, wenn der Schöpfer das auch so beabsichtigte. Er musste es wollen. Und tat er das, dann passierte das auch.Dios lo vult.
Damit treffen wir jetzt auf einen gewissen Isaac Newton, von dem die Mär geht, er hätte die Schwerkraft „entdeckt“ als ihm - unter einem Apfelbaum sitzend - ein Apfel auf den Kopf fiel. Denn von diesem Zeitpunkt an war klar: nicht der „Wille Gottes“ brachte den Apfel zu Boden, sondern eine Kraft war es, die Schwerkraft. In berechenbarer Beschleunigung allerdings.
Aber irgendwie entging uns, dass diese geänderte Erklärung eigentlich nur eine „Übertragung“ war. Die benötigte Kraft wurde von „Gott“ einer sogenannten „Schwerkraft“ zugewiesen. Am grundlegenden Vorgang änderte sich eigentlich nichts. Bis Albert Einstein kam. Der erklärte uns nämlich, dass Schwerkraft keine „Kraft“ im Sinne des Wortes war, es handelte sich „nur“ um eine Eigenschaft des Raumes. Genauer: des Raum-Zeit-Kontinuums.
Soll heissen: Newtons Apfel fiel deshalb zu Boden, weil der Raum gekrümmt ist. Der Apfel fiel also so zu Boden, wie eine Glasmurmel in einer Schüssel immer zum tiefsten Punkt rollt. Und nicht, weil irgendeine „Kraft“ daran zieht.
Ist dies dann nun der Weisheit letzter Schluss? Wohl kaum. Die Physik versucht sich weiterhin an der Erklärung der uns umgebenden „Wirklichkeit“ und liefert ein „Darum!“ nach dem anderen. Das macht auch die Medizin, die Chemie, die Soziologie usw.
Ein endloses geflochtenes Band. „Standing on the shoulders of giants.“ Wir schlussfolgern: das, was früher mal „wahr“ war, ist es heute nicht mehr. Aber ist es das? In gewisser Hinsicht, so scheint mir, ist letztlich eine „Theorie der Alchemisten“, die die Existenz vierer Elemente - Feuer, Wasser, Luft und Erde - postuliert, nicht viel „wirklicher“ als eine z.B. „Theorie der Quarks“, die „Wirklichkeiten im subatomaren Bereich“ erstellt. Auch wenn diese letztere überhaupt nicht (mehr) vorstellbar, sondern nur mehr mathematisch fassbar ist.
Das eine ist also irgendwie nicht „wahrer“ als das andere - wenn wir einfach berücksichtigen, dass der menschliche Geist bekannte „Bilder“ heranziehen muss, um noch Unbekanntes in eine eben verständliche Form zu gießen. Eine Strukturierung des Unbekannten durch das bereits Bekannte.
Bleibt die Frage: Was ist praktikabler? Was bringt uns weiter im täglichen Gewese?
Der Autor, Thomas-Per Harlandner, lebt mit seiner Lebensgefährtin am Rand von Salzburg
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