Wir müssen wieder lernen, bitter zu essen
Ein Beitrag der Kräuterexpertin „Fräulein Grün“
Bitterstoffe sind das Elixier des Lebens – nicht umsonst hat Pfarrer Kneipp empfohlen, einen Wermut-, Salbei- oder Enzianstock im Garten zu pflanzen. Wermut und der gelbe Enzian gehören sogar zu den bitterstoffhaltigsten Pflanzen der Erde. Leider werden – einem Zeitgeist entsprechend – heutzutage die Bitterstoffe aus so manchen Pflanzen herausgezüchtet.
Die Pflanzenwelt liefert uns eine Vielzahl an Inhaltsstoffen, die wir gerne in unser Leben integrieren. Schleimstoffe in der Malve helfen uns z.B. bei Reizungen im Hals oder dem Magen, Gerbstoffe wie im Salbei heilen kleine Verletzungen an der Haut oder im Mund, Saponine wie im Gänseblümchen reinigen unseren Körper. Aber wenn es um die Bitterstoffe geht, dann kostet das viele von uns große Überwindung, diese in unser Leben zu lassen.
Der Grund ist ganz einfach: Wir haben den bitteren Geschmack aus unserem Leben gestrichen. Danach richtet sich auch die Lebensmittelindustrie und züchtet sogar bittere Salate milder. „Bäh bitter“ ist eine beliebte Aussage, wenn es darum geht, ob jemand diese Geschmacksrichtung mag. Dass wir „Bitter“ aus unserem Leben gestrichen haben, hat aber fatale Folgen für unseren Körper. Es gibt einen Grund, warum Darmprobleme zu einer der größten Zivilisationskrankheiten gehören.
Süß, sauer, salzig – all das wird von uns gerne akzeptiert, bitter hingegen lehnen wir ab. Auch im Sprachgebrauch hat sich das Wort bitter für etwas etabliert, das nicht sehr angenehm ist. „Das ist aber bitter“ wird nicht nur für Speisen sondern auch für diverse Lebenssituationen verwendet. Der bittere Geschmack aber ist es, der für unsere Gesundheit besonders wichtig ist: „Ich muss bitter schmecken!“
„Was bitter im Mund, ist dem Magen gesund“ - ein alter Spruch, der Wahres spricht. In jedem Lebenselixier vergangener Tage finden sich eine Vielzahl Bitterpflanzen. Hildegard von Bingen oder auch Paracelsus haben immer schon auf Heilpflanzen gesetzt, die bitter sind. Dieser Inhaltsstoff kräftigt unseren Körper, schenkt dem Magen Wärme, steigert das Wohlbefinden (das psychische und physische Befinden wird durch diesen Inhaltstoff verbessert) und am Wichtigsten: Die Magen- und Verdauungssäfte werden aktiviert, Magen, Leber und Gallenblase werden entlastet und unser Darm bekommt wieder den Schwung, den er braucht um seine Arbeit zu tun. ABER: Wir müssen das Bittere schmecken, denn sobald wir bitter schmecken, senden die Geschmacksrezeptoren ein Signal an unser Gehirn und dann beginnen die Magen- und Verdauungssäfte zu fließen. Damit kommt unsere Verdauung in Schwung und so werden unter anderem die schlechten Stoffe aus dem Darm wieder raustransportiert.
Wir müssen wieder lernen bitter zu essen
Jeder hat ein anderes objektives Empfinden, wenn es darum geht, was denn bitter schmeckt. Deswegen ist mein Rat immer mit einer leichten Bitterpflanze anzufangen und die finden wir direkt vor unserer Nase. Ein Schritt raus aus der Haustüre und schon steht eine der bekanntesten Bitterpflanzen vor uns. Der Löwenzahn. Blätter und die Wurzel sind eine gute Möglichkeit, um langsam wieder den bitteren Geschmack in unser Leben zu holen. Diese Bitterpflanze macht es uns leicht, den Weg zurück in das bittere Leben zu finden. Es gibt aber noch viele weitere bittere Schätze. Dazu zählen: Schafgarbe, Gelber Enzian, Meisterwurz, Tausendgüldenkraut, Engelwurz, Wermut, Wegwarte, Mariendistel, Andorn, Beifuß. Man sollte vielleicht nicht gerade mit dem Gelben Enzian beginnen, denn die Wurzel dieser Pflanze gehört zu den bittersten heimischen Kräutern.
Nachfolgendes Rezept für einen Bitteressig hilft vielleicht, den Einstieg in die bittere Welt zu erleichtern. Ich mache ihn gerne aus der Wurzel der Engelwurz (auch Angelika genannt) und er passt über jeden Salat. Engelwurz ist oft ein Bestandteil des „klassischen Schwedenbitters“, der die Verdauung anregen soll. Dazu gebe ich noch Rosmarin, der die Verdauung fördert und den Magen beruhigt und ein paar getrocknete Blüten der Schafgarbe.
Bitteressig für eine bessere Verdauung
Zutaten:
2 EL Engelwurz-Wurzeln, 2 kleine Zweige Rosmarin, 2 EL getrocknete Schafgarbenblüten, ¼ Liter Essig (am besten Apfelessig, weil dieser ebenfalls die Verdauung anregt)
Alle Zutaten werden in eine Flasche gefüllt und müssen nun ein bis zwei Wochen im Essig ausziehen. Danach abseihen und in eine saubere Flasche füllen und als Finish über den Salat gießen.