Melatonin und Migräne
Wirkt das Schlafhormon hier vorbeugend?
Zahlreiche Studien sind erschienen, die alle die Auswirkungen von Melatonin bei Migräne untersuchten. Da Migräneattacken häufig bei Schlafmangel auftreten und sich eine Migräne ungünstig auf die Schlafqualität auswirkt, so dachten die Wissenschaftler, könnte man doch herausfinden, ob Melatonin hier präventiv hilfreich sein kann. Und sie hatten Recht!
Melatonin ist eine natürliche Substanz, die in kleinen Mengen von der Epiphyse (Zirbeldrüse) – eine Drüse in unserem Gehirn – aus Serotonin produziert wird. In geringer Menge wird Melatonin auch von der Netzhaut des Auges und im Darm gebildet. Die Zirbeldrüse schüttet bei Dunkelheit Melatonin in den Blutkreislauf aus. Durch Tageslicht wird die Ausscheidung gebremst.
Die Melatonin-Konzentration steigt in der Nacht um den Faktor zehn an; das Maximum wird morgens gegen drei Uhr erreicht. Entsprechend den Jahreszeiten ergibt sich hier eine wechselnde Rhythmik. Die Melatonin-Ausschüttung wird über den „nucleus suprachiasmaticus“ des Hypothalamus (Hirnregion oberhalb der Sehnervkreuzung) reguliert, der wiederum mit dem Sehnerv und somit mit den Augen verbunden ist. Dieser Teil des Hypothalamus ist der Hauptzeitgeber der inneren Uhr des Menschen. Über Nervenfasern mit der Zirbeldrüse verbunden, hilft er also dabei, den Biorhythmus unseres Körpers zu regulieren.
Als die Wissenschaftler feststellten, welche Funktion das Melatonin im Körper hat, gaben sie diesem Hormon den Namen „Schlafhormon“: genügend Melatonin bedeutet guten Schlaf – wenig Melatonin schlechten Schlaf. Wie wichtig ein geregelter circadianer Rhythmus ist, erfährt man am eigenen Leib, wenn man einen Langstreckenflug hinter sich hat. Durch diese Störung des normalen Tag-Nacht-Rhythmus kommt es zum sogenannten Jet-Lag, mit Symptomen die sich nicht nur in Schlafstörungen und Müdigkeit äußern sondern auch in depressiven Verstimmungen, Gereiztheit, Konzentrationsstörungen, Appetitlosigkeit und Verdauungsstörungen. Die Symptome verschwinden, wenn sich die innere Uhr auf die tatsächliche Ortszeit eingestellt hat, das dauert allerdings.
Migräne ist mehr als einfach nur quälender Kopfschmerz. Die betroffenen Menschen leiden an vielen weiteren Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Wahrnehmungsstörungen und Müdigkeit. Die Migräne kann ein paar Stunden andauern aber auch quälend lange. Mehrere Tage an Kopfschmerz und den Migräne-Begleitsymptomen zu leiden ist unerträglich. Zur Vorbeugung von Migräneattacken wird häufig ein Antidepressivum empfohlen. Dafür muss man jedoch dessen Nebenwirkungen in Kauf nehmen.
Sowohl Migräne als auch Melatonin weisen einen circadianen Rhythmus auf. Die meisten Personen, die an chronischer Migräne leiden, bekommen den Anfall immer zur selben Tageszeit. Da Melatonin den circadianen Rhythmus beeinflusst und die Schlafqualität beeinflusst, kamen Wissenschaftler auf die Idee, die Auswirkungen einer Melatonin-Gabe auf das Migränegeschehen zu untersuchen.
Es gibt, so ist bekannt, eine enge Verbindung zwischen Schlaf und Migräne. Personen mit normalem Schlaf leiden wesentlich weniger an chronischer Migräne als solche mit Schlafstörungen. Schlaf kann dabei helfen, die Migräneattacke zu beenden. Auch wurde festgestellt, dass Personen mit chronischer Migräne an Migränetagen niedrigere Melatoninspiegel haben als an kopfschmerzfreien Tagen und dass sie, im Vergleich zu Menschen, die nur sporadisch unter Migräne leiden, niedrigere Melatoninspiegel aufweisen. Zudem werden sowohl die Migräne als auch Melatonin vom Hypothalamus beeinflusst - auch ein Grund, sich näher mit Melatonin und Migräne zu beschäftigen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Symptome in der Anfangsphase einer Migräne mit einer veränderten Aktivität im Hypothalamus korrelieren.
Eine Studie in Brasilien untersuchte an über 180 Studienteilnehmern, die im Durchschnitt 8 Kopfschmerztage pro Monat hatten, wie sich die Verabreichung von 3 mg Melatonin im Gegensatz zu Placebo und auch im Gegensatz zu herkömmlichen Vorbeugemedikamenten auswirkt. Die Ergebnisse waren signifikant. Sowohl die Anzahl der Kopfschmerztage sank als auch die Anzahl der Attacken im Vergleich zu Placebo. Melatonin schnitt zudem gleich gut wenn nicht sogar etwas besser ab als die übliche Medikation.
Zudem hat sich gezeigt, dass Melatonin, abgesehen von geringer Tagesmüdigkeit, keine Nebenwirkungen aufwies, ein wesentlicher Vorteil gegenüber dem Antidepressivum. Grund genug für die Studienautoren also, Melatonin zur Prophylaxe von Migräneattacken zu empfehlen.
Es gibt noch viel mehr Untersuchungen zu Melatonin. Dabei handelt es sich allerdings nicht um randomisierte placebokontrollierte Studien sondern um einfache Studien und Fallberichte. Diese alle haben jedoch einen positiven Effekt von Melatonin nachgewiesen. Auch bei Cluster-Kopfschmerz gibt es bereits erste Indizien auf die Wirksamkeit von Melatonin, jedoch in höheren Dosen (10mg).
Weitere Studien sollten folgen, damit die genauen Mechanismen, die der Wirkung von Melatonin bei Migräne zugrunde liegen, erforscht werden können. Nicht nur die Verbesserung des circadianen Rhythmus und des Schlafes könnten an der Wirkung beteiligt sein sondern auch antioxidative und schmerzlindernde Effekte spielen möglicherweise eine Rolle.
Auch sind Studien notwendig, die Klarheit darüber bringen sollen, welche Melatonin-Dosierung sinnvoll ist. Eine Studie mit 2 mg Melatonin hat derzeit keine signifikanten Effekte erbracht.