Himmlische Bitterstoffe
Ein Beitrag der Kräuterexpertin „Fräulein Grün“
Bitterstoffe sind das Elixier des Lebens – nicht umsonst hat Pfarrer Kneipp empfohlen, einen Wermut-, Salbei- oder Enzianstock im Garten zu pflanzen. Vom Löwenzahn über die Schafgarbe oder Wegwarte bis hin zur himmlischen Engelwurz, es gibt viele Bitterkräuter, die unsere Gesundheit unterstützen können.
Die Pflanzenwelt liefert uns eine Vielzahl an Inhaltsstoffen, die wir gerne in unser Leben integrieren. Aber wenn es um die Bitterstoffe geht, dann wehren wir uns oft dagegen. Der Grund ist ganz einfach: Wir haben den bitteren Geschmack aus unserem Leben gestrichen.
Danach richtet sich auch die Lebensmittelindustrie und züchtet sogar bittere Salate milder. „Bäh bitter“ ist eine beliebte Aussage, wenn es darum geht, ob jemand diese Geschmacksrichtung mag. Dass wir „Bitter“ aus unserem Leben gestrichen haben, hat aber fatale Folgen für unseren Körper. Es gibt einen Grund, warum Darmprobleme zu den häufigsten Zivilisationskrankheiten gehören.
Gerade wenn es um die Ernährung geht, möchte ich ein Bitterkraut näher beleuchten. Die Engelwurz oder Angelika, wie sie umgangssprachlich auch gerne genannt wird. Sie ist die perfekte Begleiterin auf dem Weg zurück in die bittere Welt. Eine beeindruckend große Pflanze, die ihren Weg aus Skandinavien zu uns gefunden hat. Dort wird ihr Stängel zu Süßem kandiert oder auch eine Flöte daraus geschnitzt. Uns interessiert aber das, was in der Erde steckt. Ihre Wurzel.
Die Engelwurz gehört zu einer der wichtigsten Bitterpflanzen in unseren Breiten und ihre Wurzel darf auch in keinem Schwedenbitter fehlen. Der Duft der Wurzel erinnert durch die Würze an den Liebstöckel und wer einmal ein kleines Stück Wurzel gekaut hat, wird neben dem bitteren Geschmack eine Schärfe erkennen. Hier kommen auch die ätherischen Öle, die die Engelwurz besitzt, zum Vorschein. Das macht diese Heilpflanze gerade bei Beschwerden im Magen-Darm-Bereich, bei Völlegefühl oder Blähungen so nützlich.
Die Engelwurz ist sehr vielseitig. Sie wirkt antibiotisch, karminativ, krampflösend, galleanregend und kraftspendend. Sie stärkt die Abwehrkräfte und wirkt auswurffördernd und ist daher auch bei Erkältungskrankheiten hilfreich. Sie gilt zudem als Tonikum. Ich verwende die Engelwurz dazu gerne als Bitterpulver, das ich entweder über das Essen streue oder bei Bedarf messerspitzenweise einnehme.
Neben der Engelwurz gibt es noch weitere bitterstoffhaltige Pflanzen, die oft sprichwörtlich vor der Haustüre wachsen und so ganz einfach in den Speiseplan eingebunden werden können wie z.B. die Schafgarbe, der Löwenzahn, die Wegwarte oder der Beifuß.
Es ist wichtig, dass wir wieder lernen, bitter zu essen. Junge Löwenzahn- oder Schafgarbenblätter lassen sich einfach unter einen Salat mischen, der Beifuß ist eine gute Tee-Zutat und kann auch zum Würzen von fetten Speisen verwendet werden. Man kann aber auch hergehen und einfach ein kleines Blatt oder den Stängel vom Löwenzahn kauen.
„Was bitter im Mund ist dem Magen gesund“ ist ein alter Spruch, der Wahres spricht. In jedem Lebenselixier vergangener Tage finden sich eine Vielzahl Bitterpflanzen. Hildegard von Bingen oder auch Paracelsus haben immer schon auf Heilpflanzen gesetzt, die bitter sind.
Bitterstoffe kräftigen unseren Körper, schenken dem Magen Wärme, steigern das Wohlbefinden (das psychische und physische Befinden wird durch diesen Inhaltstoff verbessert) und am Wichtigsten: Die Magen- und Verdauungssäfte werden aktiviert, Magen, Leber und Gallenblase werden entlastet und unser Darm bekommt wieder den Schwung, den er braucht, um seine Arbeit zu tun. ABER: Wir müssen das Bittere schmecken, denn sobald wir bitter schmecken, senden die Geschmacksrezeptoren ein Signal an unser Gehirn und dann beginnen die Magen- und Verdauungssäfte zu fließen. Damit kommt unsere Verdauung in Schwung und so werden unter anderem die schlechten Stoffe aus dem Darm wieder raustransportiert.
Unser Körper braucht das „Bittere“, um ein gesundes und ausgeglichenes Leben zu führen. Deshalb sollten wir wieder den Weg zu bitteren Stoffen aus der Natur finden. Ob als selbstgemachtes Bitterpulver oder in Tropfenform, schenken Sie den bitteren Kräutern ihre Aufmerksamkeit, sie werden dafür mit Gesundheit belohnt.
Das Rezept zu meinem persönlichen Bitterpulver mit Engelwurz und noch weiteren Bitterpflanzen finden Sie auch in meinem neuen Buch.
Karina Nouman ist Kräuterexpertin, Praktikerin der Traditionell Europäischen Heilkunde, Autorin, Referentin und bloggt seit Jahren unter dem Namen Fräulein Grün. Sie teilt ihr Kräuter- und Naturwissen mit einer immer größer werdenden Gruppe Menschen, ob nun online auf ihrem Blog www.fräuleingrün.at, auf ihren Social Media Kanälen oder in ihren Onlinekursen, wie aber auch im echten Leben bei Kräuterwanderungen und -kursen oder Kräuterausbildungen.
In ihrem sechsten neuerschienenen Buch „Fräulein Grüns Immunkraft aus der Natur“ zeigt sie, wie einfach man selbst sein Immunsystem mit Kräutern und verschiedenen Anwendungen und Rezepten stärken kann.