FEUILLETON - Glaub’ nicht alles, was du denkst

Glaub’ nicht alles, was du denkst

Denken, Bewusstsein, Entscheidung und Meinung

Nicht nur, aber auch, geistern aktuell sehr viele Begrifflichkeiten rund um’s Thema Meinung und Denken durch den Raum. Und die Medien. Und uns damit durch den Kopf. Dabei ist Denken und - im weitesten Sinne - Bewusstsein ein sehr weitgefächertes zum einen und/aber recht unerforschtes Thema zum anderen. Wir denken, also sind wir. So scheint uns zumindest die meiste Zeit.

Wir kennen diesen/den Vorgang: wir sitzen da und denken. Oder „denken“. Wobei hier ja schon die Schleife, die Möbius-Schleife eigentlich, beginnt. Denn da ist „jemand“, der denkt (sich Gedanken macht) und dann auch „jemand“, der zusieht, wie da einer ist, der denkt.

Oder wie es z.B. Dr. med. Nonnenmacher beschreibt: „Mit Denken bezeichnet man Vorgänge des Gehirns […] woraus [dann] vielfältige Handlungen abgeleitet werden. Denken […] setzt sich aus Vorstellungen, Erinnerungen und logischen Schluss­folgerun­gen zusammen.“ Und für gewöhnlich erachten wir diesen Vorgang des Denkens als einen willentlichen. So als könnten wir uns vornehmen, etwas Konkretes zu denken. Doch ist dieser so triviale, uns so gewärtige, Vorgang des „Aufsteigens von Gedanken“ eher mit einem letztlich ganz unwillentlichen  „Stoffwechsel des Gehirns“ vergleichbar.

Denn: viele Prozesse im Gehirn laufen unbewusst ab. Dies hat aber einen evolutionären (…) Grund. Denn allein mit den täglichen Aufgaben wären wir gedanklich bereits heillos überfordert. Deshalb laufen derartige Prozesse irgendwie automatisiert ab. Aber im allgemeinen glauben (denken) wir ja, dass wir diese bewusst treffen. Diese Annahme ist aber durch viele jüngste Forschungen durchaus in Frage gestellt. Denn diese neurologische Forschung stellte fest, dass das Gehirn, die neuronale Struktur, viele Entscheidungen bereits zuvor getroffen hat. Der Punkt dabei ist also die Tatsache, dass wir - wenn wir vor einer Entscheidung stehen - diese überdenken. Können. Und dies auch tun. Und das Ergebnis daraus, das erachten wir dann als unsere Entscheidung, und darauf bauen wir dann eine mehr oder weniger unumstößliche Meinung auf. Und daraus wieder formen wir eine wie immer definierte Persönlichkeit.

Ein anderer Punkt in diesen Betrachtungen ist dann das sog. Ruhezustandsnetzwerk. Ein verwirrender Ausdruck für einen relativ simplen „Vorgang“. Als Ruhezustandsnetzwerk (engl. Default Mode Network) bezeichnet man eine Gruppe von Gehirnregionen, die (erst) beim Nichtstun aktiv und beim Lösen von Aufgaben wieder deaktiviert werden. So gesehen setzen wir dieses in Gang, wenn wir „introspektiv“ sind oder etwa sinnieren, meditieren. Sitzen wir also ganz ruhig und „denken nicht“, erfahren wir sehr viel mehr über uns und unseren „inneren Aufbau“ als wenn wir hektisch „Meinungen haben“. Und die Forschungen dazu zeigen, dass das Gehirn in entspann­ten Ruhezuständen hoch aktiv ist. Daraus ergibt sich, dass der „Tagtraum“ eine entscheidende Kraftquelle für Identitätsbildung und Persönlichkeitsentwicklung ist.

In diesem Sinne: lasst uns öfter nur ruhig sitzen und meditieren (oder welchen Ausdruck man immer verwenden möchte). Man setze sich hin und sehe seinen Gedanken beim Aufsteigen/Erscheinen zu. Denn das tun sie von ganz alleine. Ohne Vorsatz und ohne Zwang. Es lohnt sich. Denn man erfährt mehr über sich selbst als man - denkt.

Der Autor ist Grafiker und lebt mit seiner Lebensgefährtin glücklich und beschaulich am Rande von Salzburg.
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