AKTUELL - Stress

Stress

Wie wirkt er sich auf die Verdauung aus?

Stress kann an und für sich positiv sein, denn er spornt uns zu Höchstleistungen an, aber er kann auch viele negative Aspekte mit sich bringen und zwar dann, wenn er uns zu viel wird, wenn aus dem „Eustress“ der negative „Distress“ wird. Unser Verdauungstrakt, der als Zentrum von Gesundheit und Wohlbefinden gilt, reagiert äußerst sensibel auf Stress und dies kann sich in vielerlei Symptomen äußern.  

Jeder kennt „ein schlechtes Bauchgefühl“. Belastende Situationen schlagen sich auf den Magen und in Stresssituatio-
llllnen bekommt so mancher Bauchschmerzen oder Durchfall. Die Psyche hat große Auswirkung auf unser Magen-Darm-System. 

Der Verdauungstrakt ist von einem Geflecht aus Millionen von Nervenzellen, dem sogenannten enterischen Nervensystem (ENS), durchzogen. Es reicht von der Speiseröhre bis zum Enddarm. Dieses Nervensystem arbeitet weitgehend autonom und wird auch als Bauchhirn bezeichnet. Das ENS trifft wichtige Entscheidungen für den Darm sozusagen in Eigenregie, also ohne das Gehirn. Es reguliert die Durchblutung und Motorik des Darms, analysiert die Zusammensetzung des Speisebreis und koordiniert die Resorption (Aufnahme von Nährstoffen) und die Ausscheidung. Jedoch kommuniziert das ENS auch mit dem zentralen Nervensystem. Über die sogenannte Bauch-Hirn-Achse steht es in ständiger Verbindung mit dem Gehirn. Die Kommunikation erfolgt über Nervenbahnen aber auch über Botenstoffe (z. B. Serotonin) und mikrobielle Stoffwechselprodukte. Sogar die Darmflora spielt hier eine Rolle, da sie die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn positiv oder negativ beeinflussen kann. Die ausreichende Versorgung mit Ballaststoffen ist wichtig, denn diese dienen bestimmten Darmbakterien als Ausgangsstoff für die Bildung kurzkettiger Fettsäuren (z. B. Butyrat, Propionat). Diese stärken die Darmbarriere, wirken entzündungshemmend, beeinflussen die Serotoninfreisetzung und stimulieren den Nervus vagus, der eine zentrale Rolle in der Bauch-Hirn-Achse einnimmt. 

Über diese Achse werden z. B. Empfindungen aus dem Magen-Darm-Trakt an das Gehirn geleitet und umgekehrt auch negative Gefühle an den Bauch kommuniziert. Willentlich steuern können wir unser Verdauungssystem aber nicht. Nur das vegetative Nervensystem, auch als autonomes NS bezeichnet, ist für unsere Verdauungsorgane zuständig. (Exkurs: Unser Nervensystem setzt sich zusammen aus dem somatischen und dem vegetativen Nervensystem. Das somatische NS ist für willkürliche Bewegungen und bewusste Sinneswahrnehmungen zuständig, das vegetative NS steuert unwillkürliche Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung und Verdauung). 

Das vegetative Nervensystem besteht aus Sympathikus (reguliert Organfunktionen in Stresssituationen) und Parasympathikus (ist in Erholungs- und Ruhephasen zuständig, der Hauptnerv des Parasympathikus ist der Nervus vagus). Wer ständig unter Stress steht, dessen Sympathikus ist überaktiv. Es kommt zu einer Steigerung der Herzfrequenz und die Bronchien werden erweitert. Diese Vorgänge sind ausgerichtet auf eine Flucht, denn Stresshormone dienten in der Evolution dem Schutz vor Angreifern.

Da die Verdauung in Fluchtsituationen hinderlich ist, wird der Magen-Darm-Trakt durch die Stresshormone „heruntergefahren“. Das bedeutet, die Durchblutung des Verdauungssystems wird reduziert (das Blut wird in der Stresssituation vermehrt in der Muskulatur benötigt), die Nahrung verweilt im Magen (uns wird übel, wir spüren einen Druck im Magen) und Nahrung, die sich bereits im Darm befindet, soll so schnell wie möglich entfernt werden und es kann zu Durchfall kommen. Ist der Stress vorüber, dann übernimmt das parasympathische NS und die Verdauung wird wieder angeregt und die Beschwerden verschwinden. Bei chronischem Stress sind regelmäßige Entspannungsübungen besonders wichtig, um Problemen mit dem Verdauungssystem vorzubeugen. Stress lass nach ist die Devise!  Pflanzliche Mittel können unterstützend die Symptome mildern. Heilpflanzen wie die Kamille helfen dabei, Bauchschmerzen zu lindern. Sie wirkt krampflösend, muskelentspannend, blähungswidrig und beruhigend. Auch die Melisse hilft, aufgrund ihrer beruhigenden Wirkung, bei nervösen Magen-Darm-Störungen. Kümmelfrüchte wirken Blähungen entgegegen.

REIZDARM

Wie stark der Einfluss der Bauch-Hirn-Achse sein kann, zeigt sich im Reizdarmsyndrom. In unseren Breiten ist bereits jede 5. Person davon betroffen, also 20 % der Bevölkerung. Frauen erkranken etwa doppelt so häufig wie Männer und der Erkrankungsbeginn ist meist zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr. Ein Reizdarm äußert sich in unterschiedlichsten Problemen. Dazu gehören Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall und Verstopfung. Die Symptome ähneln einer chronischen Darmentzündung, lassen sich davon aber meist durch ein Fehlen von Entzündungsparametern unterscheiden. Die Wahrnehmung von Signalen aus dem Darm ist beim Reizdarmsyndrom gesteigert und wird als viszerale Hypersensitivität bezeichnet. Sie kommt häufig kombiniert mit einer verminderten Schmerzschwelle der Eingeweide vor. Das von Betroffenen beschriebene Ausmaß der Beschwerden erklärt sich aus diesen Gegebenheiten und nicht aus den körperlich untersuchbaren Veränderungen. Zudem kommt es beim Reizdarm zu einem Teufelskreis: über die Bauch-Hirn-Achse werden die Darmprobleme dem Gehirn gemeldet. Dort können diese Symptome Angst und Stress auslösen und der Darm reagiert auf Stress, wie eingangs erwähnt, mit einem Niederfahren des Verdauungstraktes und somit einer Verstärkung der Problematik. Psychotherapie und Entspannungsmethoden helfen dabei, die Dysregulation der Bauch-Hirn-Achse umzukehren.