THEMA - Vitalstoffmangel

Vitalstoffmangel

Können Medikamente Auslöser sein?

Arzneimittel sind unverzichtbar, um verschiedenste Krankheiten zu bekämpfen. Da sie aber oft dieselben Transportwege für Resorption, Metabolisierung und Elimination im Organismus nutzen wie z. B. Vitamine und Mineralstoffe, kann es zu einem Mangel an manchen Vitalstoffen kommen. Man spricht von einem Biofaktoren-Mangel, der sekundär zu gesundheitlichen Störungen führen kann.

Vermutlich kein physiologischer Vorgang in unserem Körper läuft ohne die Beteiligung eines oder mehrerer Vitalstoffe (Biofaktoren) ab. Vitalstoffmängel können natürlich die unterschiedlichsten Ursachen haben wie z.B. einseitige Ernährung, Malabsorption, Alkoholmissbrauch, erhöhter Bedarf etc. Das Wissen aber, dass auch Arzneimittel zu Interaktionen führen können, sollte unbedingt in der Abklärung der Ursache miteinbezogen werden.

Medikamente unterliegen denselben Stoffwechselvorgängen wie Nährstoffe. Interaktionen sind daher auf allen Ebenen von Verdauung, Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung und Ausscheidung möglich. Dass Nährstoffe Einfluss auf die Wirksamkeit von Arzneimitteln haben, ist weitläufig bekannt, seit festgestellt wurde, dass Grapefruitsaft über dasselbe Enzym abgebaut wird wie viele Medikamente und es so zu Nebenwirkungen kommen kann. Dass aber umgekehrt Arzneimittel die Aufnahme von bestimmten Vitalstoffen reduzieren können, ist noch nicht so stark im Fokus. Die deutlichsten Effekte treten vor allem bei der Aufnahme aus dem Darm auf und im Rahmen der Verstoffwechselung. Manche Medikamente haben auch Einfluss auf die Regulation von Hunger und Sättigung.

Senioren und chronisch kranke Menschen müssen oft viele Medikamente über längere Zeiträume einnehmen. Sie sind daher die Patientengruppe, die besonders gefährdet ist, eine arzneimittelbedingte Minderversorgung an Vitaminen und Mineralstoffen zu erleiden. Jene zwei Arzneimittelgruppen, die besonders häufig mit einem Biofaktorenmangel in Zusammenhang gebracht werden sind die Pille und die Statine.

Viele Frauen, die hormonell verhüten, berichten von Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen und Müdigkeit. Untersuchungen zeigen, dass diese Nebenwirkungen oftmals mit einem Mangel an Vitamin B2, B6, B12, Folsäure, Magnesium, Zink und Vitamin C einhergehen. Die B-Vitamine sind zentrale Co-Faktoren im Energiestoffwechsel und für eine normale Funktion des Nervenstoffwechsels verantwortlich. Die Pille hemmt ein Enzym in der Dünndarmschleimhaut, wodurch die Resorption der Folsäure verschlechtert wird. Vitamin B2, B6 und B12 werden durch die Pilleneinnahme im Körper vermehrt verbraucht.

Statine sind die wohl am meisten verordneten Cholesterinsenker. Schlechte Ernährung, mangelnde Bewegung und Übergewicht sowie eine erbliche Veranlagung sind verantwortlich für eine Entgleisung der Cholesterinwerte. So wichtig eine medikamentöse Therapie auch ist, muss daran gedacht werden, dass Statine über eine Hemmung des Enzyms HMG-CoA-Reduktase wirken. Dieses Enzym ist auch notwendig dafür, dass im Körper das Co-Enzym Q10 erzeugt werden kann. Q10 ist ein wichtiger Faktor in der Energiegewinnung. Fehlt durch die Hemmung der HMG-CoA-Reduktase das Q10, führt dies zu Muskelschwäche und Müdigkeit. Außerdem kann sich ein Mangel negativ auf die Herzfunktion auswirken. Personen, die Statine nehmen, sollten also auf zusätzliche Versorgung mit Co-Enzym Q10 achten. Andere cholesterinsenkende Arzneimittel wirken dadurch, dass sie an Gallensäuren binden und deren Ausscheidung im Darm fördern.

Kompensatorisch wird vom Organismus nun Cholesterin zur Neusynthese von Gallensäuren genutzt und der Cholesterinspiegel im Blut sinkt. Da aber durch diese Vorgänge die Fettverdauung gestört wird, können fettlösliche Vitamine weniger gut vom Organismus aufgenommen werden und ein Mangel an Vitamin A, D, E und K kann entstehen.
Es gibt aber viele weitere Medikamente, bei denen man auch an einen Mangel an bestimmten Vitalstoffen denken sollte. Dazu gehört das Analgetikum Acetylsalicylsäure. Hier kann es zu einem Mangel an Calcium und Eisen sowie den Vitaminen B9, B12 und C kommen. Antibiotika stehen in Verdacht, einen Magnesium-, Calcium- und Kalium-Mangel zu verursachen.

Diuretika (Entwässerungsmittel) unterstützen den Körper bei Bluthochdruck, Ödemen und Herzmuskelschwäche, indem sie Wasser aus dem Körper ausschwemmen und damit das Herz entlasten. Allerdings werden dabei auch Mineralstoffe ausgeschwemmt und dies kann zu diversen Störungen im Elektrolythaushalt führen. Manche Diuretika erhöhen auch die Ausscheidung von Vitamin B1. Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz können dadurch einen Thiamin­mangel erleiden. Eine regelmäßige Kontrolle des B1-Status ist daher empfehlenswert.

Protonenpumpenhemmer (Magenschoner) können einen Mangel an Vitamin B12, Folsäure, D3 und C sowie an Magnesium, Calcium, Eisen und Zink verursachen. Vor allem Vitamin B12 braucht das saure Milieu im Magen, damit es aus der Nahrung aufgenommen werden kann. Es ist an Proteine gebunden und mit Hilfe von Salzsäure und Pepsin wird es freigesetzt. Verändert sich der ph-Wert im Magen durch die langfristige Verwendung von Magenschoner kann dies zu einer Störung führen. Durch die Einnahme von oralen Diabetesmedikamenten kann sich bei Langzeiteinnahme der Vitamin B12-Status verschlechtern, da vermutlich die Aufnahme im Darm vermindert wird.

Dieser Artikel darf aber nicht dazu verleiten, dringend notwendige Medikamente in Eigenregie abzusetzen oder zu reduzieren, damit es nicht zu Wechselwirkungen mit Vitalstoffen kommt, sondern vielmehr dazu anregen, eventuell auftretende Nebenwirkungen auch hinsichtlich eines gestörten Mikronährstoffhaushaltes zu untersuchen, damit hier vielleicht mit gezielter Einnahme eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden kann.

 

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